Lesung und Gespräch mit Shikiba Babor.
Shikiba Babori wurde in Kabul geboren und kam Ende der 70er Jahre mit ihrer Familie nach Deutschland. Nach Afghanistan kehrte sie zum ersten Mal im Jahr 2003 zurück. Seitdem reiste die Journalistin und Ethnologin regelmäßig in die Heimat ihrer Vorfahren und berichtete in zahlreichen Reportagen von den Entwicklungen dort. Seit dem Abzug der Nato im August 2021 wurde sie zur Stimme der afghanischen Frauen in den deutschen Medien. Sie bildete Journalist_innen in Afghanistan aus und hat das afghanisch-deutsche Reporter_innen-Netzwerk Kalima-News gegründet.
„Die Afghaninnen – Spielball der Politik“
Frauenkulturtage Die Journalistin Shikiba Babori zeichnet ein vielschichtiges Bild ihres Heimatlandes
Kirchheim. „Schauen Sie auf die Frauen in Afghanistan.“ Diesen Appell richtete die in Köln lebende Journalistin und Ethnologin Shikiba Babori an die Zuhörerinnen und Zuhörer im Spitalkeller. Eingeladen hatten im Rahmen der Frauenkulturtage die Kirchheimer Gruppe von Amnesty International, Frauenliste, Buchhandlung Schöllkopf und die VHS.
Das aktuelle Buch von Shikiba Babori, „Die Afghaninnen – Spielball der Politik“, war Grundlage des Gesprächs, das Renate Hirsch und Karin Zweibrücker von Amnesty International mit der Journalistin führten.
In Kabul geboren, war sie Ende der 70er Jahre 13-jährig mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen, weil ihr Vater im diplomatischen Dienst arbeitete. Zwischen 2003 und 2021 bereist sie Afghanistan regelmäßig und berichtete in zahlreichen Reportagen von den Entwicklungen dort. Sie bildete in Afghanistan Journalistinnen aus und gründete ein deutsch-afghanisches Netzwerk für Reporter.
Afghanistan ist geprägt von fast 50 Jahren Krieg, zunehmenden Dürren, Naturkatastrophen, von extremen Unterschieden zwischen Stadt und Land, von den religiösen Traditionen und Rechtspraktiken der vielen Ethnien und Stämme und vielen weiteren Faktoren. Geostrategische Interessen anderer Länder führten zu Invasionen und Einflussnahmen auf verschiedensten Ebenen.
Der Alltag der meisten afghanischen Frauen ist auch heute bestimmt von Rechtlosigkeit, Abhängigkeit, Misshandlungen und Gewalt. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts, so Babori, wurden jedoch die Frauenrechte immer wieder instrumentalisiert. Um Modernisierung unter Beweis zu stellen oder auch als Legitimation für militärische Präsenz wie zum Beispiel 2010. Damals sei die Notlage der afghanischen Frauen genutzt worden, um die schwindende öffentliche Unterstützung für den Krieg der NATO und ihrer Verbündeten zurückzugewinnen.
Das Agieren vieler ausländischer Hilfsorganisationen zwischen 2001 und 2021 sieht Babori ebenfalls kritisch: Zu sehr auf Kabul und die großen Städte konzentriert und oft ohne grundlegendes Verständnis für die Eigenarten und Sitten des Landes. Dabei gab es seit den 70er Jahren nationale Hilfsorganisationen, auf deren Erfahrungen man hätte zurückgreifen können. Viele gebildete Menschen arbeiteten als Übersetzerinnen und Fahrer für die Hilfsorganisationen und fehlten andererseits an ihren früheren Arbeitsplätzen als Dozentinnen, Lehrer, Ärztinnen. Ein auch unauflösbarer Konflikt betrifft die Afghaninnen und Afghanen, die seit dem Abzug der NATO das Land verlassen mussten, um ihr Leben zu retten. Es kam zu einem Exodus der Mittelschicht. Trotz der schwierigen Lebensbedingungen hätten sich mutige Frauen in Afghanistan immer wieder erhoben, Widerstand geleistet. Wie aber kann wirksame Hilfe aussehen? Shikiba Babori nannte hier als Vorbild den Afghanischen Frauenverein, der 1992 von zwölf in Deutschland lebenden Afghaninnen gegründet wurde und vor allem in ländlichen Regionen Hilfe für Familien, Mädchen und Frauen leistet. Medizinische Versorgung, Brunnenbau, schulische und berufliche Ausbildung, Katastrophen- sowie Winterhilfe werden in Zusammenarbeit mit den Dorfältesten realisiert.
Die Bitte, für den Afghanischen Frauenverein zu spenden, stieß beim Publikum auf großzügige Resonanz.
(Artikel in „Der Teckbote“ vom 21. März 2024)
Eine Veranstaltung im Rahmen der Frauenkulturtage in Zusammenarbeit der Frauenliste, Buchhandlung Schöllkopf, Amnesty International und vhs.